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Digitalisierung im Mittelstand: Vom Kostenmythos zum Wachstumstreiber

Der Mittelstand kämpft mit steigenden Kosten, Fachkräftemangel und wachsender Bürokratie – und viele Unternehmen halten Digitalisierung deshalb für zu teuer.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Digitale Prozesse senken Verwaltungsaufwand, erhöhen Effizienz und stärken die Wettbewerbsfähigkeit, oft mit messbarem ROI innerhalb weniger Monate.

Wer weiterhin an analogen Strukturen festhält, riskiert steigende Kosten, verlorene Kunden und den Anschluss in einer zunehmend automatisierten Wirtschaft.

Hicham Zaggoti
Hicham Zaggoti
31. Okt. 2025Lesedauer 4 Min

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Digitalisierung im Mittelstand: Vom Kostenmythos zum Wachstumstreiber

Ein Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs in Bayern hat es neulich in einem Gespräch mit uns auf den Punkt gebracht:

„Digitalisierung? Dafür fehlt uns das Budget.“

Dieser Satz fällt in deutschen Chefetagen jeden Tag. Und er ist gefährlich. Denn er übersieht, dass Digitalisierung keine Kostenfalle ist, sondern im Gegenteil einer der schnellsten Wege, Geld zu sparen und Ressourcen freizusetzen.


Mythos Digitalisierung = teuer

Viele Unternehmen verbinden Digitalisierung mit Großprojekten: teure Software, jahrelange Implementierung, externe Berater. Doch die Realität sieht anders aus.

Ein kurzes Beispiel: Die Einführung von **Robotic Process Automation (RPA) zur Rechnungsprüfung. Kostenpunkt: niedriger fünfstelliger Bereich Einsparung: bis zu 30 % weniger Verwaltungsaufwand jährlich. Mit anderen Worten: Die Investition amortisiert sich oft nach wenigen Monaten.

Das gleiche gilt für KI-gestützte Prognosen im Einkauf oder digitale Zeiterfassungssysteme in der Produktion. Es sind keine „Luxusprojekte“. Es sind Stellschrauben, die sofort messbar bares Geld sparen.


Deutschland ist teuer — und genau deshalb brauchen wir Digitalisierung

Die Realität ist hart: Unternehmen in Deutschland tragen eine der höchsten Steuerlasten in Europa, kämpfen mit einem dichten Geflecht an Bürokratie und haben in den letzten Jahren die Auswirkungen einer hohen Inflation gespürt. Energie, Rohstoffe, Löhne, alles ist teurer geworden.

Deutschland hat keine Rohstoffe. Kein Öl, kein Gas, keine seltenen Erden. Unser Reichtum war nie im Boden, sondern im Kopf. Wir waren stark, weil wir Dinge bauen konnten, die andere nicht hinbekommen haben, weil wir Prozesse verstanden, Qualität ernst nahmen und mit Präzision gearbeitet haben, die weltweit Maßstäbe gesetzt hat.

Aber dieses Wissen ist kein Schutzschild mehr. Heute kann jeder überall auf der Welt lernen, wie man produziert, automatisiert und Abläufe optimiert. Das, was uns einmal einzigartig gemacht hat, ist jetzt global verfügbar.

Das Ergebnis: Margen schrumpfen, Preise steigen, Kunden schauen immer kritischer auf Angebote. Viele Unternehmen erleben derzeit das Gefühl, dass jeder Auftrag „auf Kante genäht“ ist.

Genau hier setzt Digitalisierung an. Sie ist der Hebel, der Kosten senkt, Prozesse verschlankt und Produktivität zurückbringt. In einer Zeit, in der alles teurer wird, ermöglicht sie etwas Entscheidendes: wieder wettbewerbsfähige Preise anbieten zu können, ohne die Qualität zu opfern. Sie führt uns zurück in eine Situation, in der man ohne Angst auf die Zahlen schaut, und in der Kunden sagen: „Das ist ein fairer Preis, den ich mir leisten kann.“


Management und das Kalkulationsproblem

Warum also wird Digitalisierung trotzdem so oft verschoben? Ein Grund liegt im Management selbst.

Viele Entscheider kalkulieren Digitalisierungsprojekte so, wie sie Maschinenkäufe kalkulieren würden: Anschaffungspreis, Abschreibungszeit, Wartungskosten. Aber Digitalisierung funktioniert anders.

  • Einsparungen tauchen nicht in klassischen Investitionsrechnungen auf. Wer 1.000 Arbeitsstunden pro Jahr spart, weil ein Prozess automatisiert ist, sieht das selten direkt im Budget, sondern bei entlasteten Mitarbeitern.

  • Neue digitale Projekte sind schwer kalkulierbar. Ein Unternehmen, das einen KI-gestützten Chatbot im Kundenservice einführt, kann den Effekt nicht im Vorfeld genau berechnen. Wie stark Mitarbeiter entlastet werden, wie viele Anfragen schneller gelöst werden oder ob dadurch mehr Verkäufe zustande kommen, zeigt sich erst in der Praxis.

  • Fehler im Status Quo werden unterschätzt. Papierprozesse, doppelte Dateneingaben oder fehlende Transparenz verursachen immense Opportunitätskosten, die selten als „Kostenblock“ auftauchen.

Zusammengefasst kann man sagen: Die klassische Kalkulationslogik verfehlt das Wesen der Digitalisierung. Sie rechnet die Risiken des „Nichtstuns“ nicht ein.


Unterschätztes Risiko: Wie digital sind wir wirklich?

Das zweite Problem: Viele Mittelständler überschätzen ihren Digitalisierungsgrad.

Da gibt es Unternehmen, die stolz auf ihre neue ERP-Software verweisen, aber gleichzeitig werden Lieferantenbestellungen noch gefaxt. Andere nutzen eine Cloud-Lösung im Vertrieb, aber die Produktion dokumentiert immer noch auf Papierlisten.

Studien zeigen: Rund 45 Prozent der KUMs haben keine konsistente Digitalstrategie. Viele halten sich für moderner, als sie sind. Erst wenn man Prozesse wirklich durchleuchtet, wird sichtbar, wie groß die Lücken sind.

Ein Praxisbeispiel: Ein Zulieferer im Maschinenbau glaubte, „relativ digital“ aufgestellt zu sein, weil er ein modernes ERP-System nutzte. Nach einer Analyse stellte sich heraus: über

60 Prozent der internen Kommunikation lief noch per E-Mail ohne zentrale Ablage. Allein die Umstellung auf ein digitales Kollaborationstool sparte wöchentlich dutzende Arbeitsstunden und verringerte Fehlbestellungen erheblich.


Die zentralen Digitalisierungspotenziale im Mittelstand

Wenn wir die größten Hebel betrachten, zeigen sich fünf Felder, in denen Mittelständler besonders schnell Wirkung erzielen können:

1. Backoffice & Administration

  • Automatisierte Rechnungsprüfung, digitale Zeiterfassung, elektronische Signaturen.
  • Deutlich weniger Verwaltungsaufwand.

2. Einkauf & Supply Chain

  • KI-basierte Bedarfsprognosen, automatische Nachbestellungen, transparente Lieferketten.
  • Geringere Lagerkosten, bessere Versorgungssicherheit.

3. Produktion & Instandhaltung

  • Predictive Maintenance, Sensorintegration, digitale Schichtplanung.
  • Weniger Stillstände, planbare Wartung, höhere Auslastung.

4. Vertrieb & Kundenservice

  • CRM-Systeme mit KI, Self-Service-Portale, Chatbots für Standardanfragen.
  • Schnellere Angebotsprozesse, höhere Kundenzufriedenheit, mehr Abschlüsse.

5. Management & Steuerung

  • Datenplattformen, Echtzeit-Dashboards, KI-gestützte Szenarienplanung.
  • Präzisere Entscheidungen, weniger Blindflug, höhere Agilität.

Diese Felder sind sofort umsetzbar und amortisieren sich in vielen Fällen innerhalb von Monaten.


Fachkräftemangel: Die eigentliche Welle rollt noch

Und dann ist da noch ein Thema, das alles verschärft: der Fachkräftemangel. Schon heute klagen KUMs über fehlende Bewerber, offene Stellen und lange Besetzungszeiten. Aber das ist nur der Anfang.

Die Generation der Babyboomer geht in den nächsten Jahren in Rente. Millionen Fachkräfte verlassen den Arbeitsmarkt, und sie kommen nicht zurück. Das bedeutet: Die demografischen Probleme stehen uns erst noch bevor.

Ohne Digitalisierung wird das für viele Unternehmen schlicht unlösbar. Prozesse, die heute noch manuell funktionieren, werden morgen niemand mehr bedienen können. Digitalisierung ist deshalb nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern der Existenz. Sie ist die einzige realistische Antwort darauf, dass es in Zukunft schlicht weniger Menschen geben wird, die die Arbeit machen können.


Der wahre Preis ist Stillstand

Deutschland ist heute wieder einmal der kranke Mann Europas. Das, was uns einst stark gemacht hat, Präzision, Fachwissen, Qualität, ist längst nicht mehr exklusiv. Statt uns neu zu erfinden, bremsen wir uns mit hohen Energiekosten, Bürokratie und politischer Trägheit selbst aus. Die Arbeiterklasse schrumpft, die Last auf den Schultern der Mittelschicht wächst.

Wer heute sagt, Digitalisierung sei zu teuer, verkennt die Realität. Teuer ist nicht die Digitalisierung. Teuer ist das Festhalten an alten Strukturen.

Die größten Risiken entstehen nicht durch Investitionen in neue Systeme, sondern durch das Ausbleiben dieser Investitionen: steigende Kosten, ungenutzte Effizienzpotenziale, verlorene Kunden, unattraktive Arbeitsplätze für junge Talente.

Der Mittelstand hat alle Voraussetzungen, um diese Potenziale zu heben: starke Produkte, Fachwissen, Nähe zum Kunden. Jetzt geht es darum, die blinden Flecken zu erkennen, alte Mythen abzulegen und die digitale Transformation als das zu sehen, was sie ist: der direkteste Weg zu mehr Effizienz, besseren Preisen und neuer Wettbewerbsfähigkeit in einer Welt, in der Arbeit knapper wird.

Wenn wir jetzt nicht gemeinsam handeln, verlieren wir nicht nur unsere Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch das, was uns als Land immer ausgezeichnet hat: unseren Gestaltungswillen. Es wird Zeit, dass wir wieder an einem Strang ziehen. Es wird Zeit für Reformen. Es wird Zeit, wieder zu zeigen, dass Made in Germany mehr ist als ein Aufkleber, es ist ein Versprechen. Es wird Zeit, uns die Zukunft zurückzuholen.


Fazit

Digitalisierung ist:

  • der effektivste Weg zu mehr Effizienz
  • Hebel für bessere Preise
  • Schlüssel zu Wettbewerbsfähigkeit
  • Antwort auf demografischen Wandel

Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir:

  • Wettbewerbsfähigkeit
  • Innovationskraft
  • Gestaltungswillen

Es wird Zeit, wieder zu zeigen:

“Made in Germany” ist ein Versprechen — nicht ein nostalgischer Aufkleber.


Bonus: Digitalisierungs-Starterkit

Damit Sie nicht beim Problem stehenbleiben, sondern ins Handeln kommen, finden Sie im Anschluss:

  • einen ROI-Rechner für Digitalprojekte
  • eine Checkliste zur Standortbestimmung

Beide helfen:

  • Potenziale sichtbar zu machen
  • Investitionen besser zu bewerten
  • erste Schritte gezielt zu planen

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